WIEDER HAGEL UND SCHNEE – UND JETZT AUCH WASSER IM SCHIFF

 

WIEDER HAGEL UND SCHNEE – UND JETZT AUCH WASSER IM SCHIFF

Foto Segelschiff, Fotocredits: Herr Schmidt

3. Reisetag

Skagen (57°43,08´N, 010°17,17´E)

WIEDER HAGEL UND SCHNEE – JETZT AUCH WASSER IM SCHIFF

Mit Skagen als Tagesziel haben wir es heute am dritten Reisetag immerhin bis zum nördlichen Ende von Dänemarks Halbinsel Jütland geschafft. Bei Temperaturen von 2° Celsius, 98% Luftfeuchtigkeit mit Hagel- und kräftigen Schneeschauern lässt sich der Wonnemonat Mai doch sehr bitten …

Eigentlich ist es kein schwieriges Revier. Viele Häfen bieten bei den oft rauen Bedingungen Schutz und lohnen den Besuch.

Schon allein die Insel Læsø mit ihren bei Seefahrern berüchtigten, ausgedehnten und wrackreichen Flachwassergebieten lohnt einen ganzen Urlaub. Auf den weitläufigen Stränden findet man immer ein privates Fleckchen und der Sand ist so fein, wie selten im Ostseeraum. Die weiten Strände, Sumpfseen und Marschgebiete sind Folgen eines Raubbaus. Im Laufe der Jahrhunderte verbrannten die Bewohner die dichten Kiefernwälder für die profitable Salzgewinnung durch das Verdampfen von Meerwasser. Um 1600 war alles Holz verheizt. Sandflug bedeckte das fruchtbare Land. Die Insel und ihre Bewohner verelendeten. Wie in anderen kargen Küstenregionen verdingten sich die Männer als Seeleute oder arbeiteten als Fischer, während die Frauen und Kinder mit kärglichem Ackerbau ein Überleben versuchten. Ein nicht unbeträchtliches Zubrot brachte Strandräuberei. Allein in den Jahren 1858 bis 1888 wurden 625 Strandungen verzeichnet. Aus früheren, weniger geordneten Zeiten liegen zwar keine behördlichen Aufzeichnungen vor. Es gibt aber sehr wohl glaubhafte Berichte, wie von anderen exponierten Inseln und Kaps, dass auch Überlebende einer Strandung nicht sicher sein konnten, ihr Leben und ihren Besitz zu behalten. Es war in vielerlei Hinsicht häufig ein unbarmherziges, hartes und oft auch kurzes Leben.

Doch wir wollen mit großen „Schritten“ nach Norden …

Für uns bleibt Læsø in diesem Sommer hinter dem östlichen Horizont verborgen. Wir steuern entlang der hier sehr gleichförmigen dänischen Küste hoch am Wind mit guter Fahrt bis 12 Knoten. Es weht weiterhin ein steifer Wind, das Großsegel ist gerefft, Schoner und Fock stehen voll, die übrigen Bedingungen sind reichlich unkomfortabel. Segelmanöver bei hagelglattem Deck auf einem in der kurzen Kattegatwelle tanzenden Schiff sind eine erhöhte Anforderung an unsere Umsicht und Sicherheit. Alle Bewegungen und Aktivitäten dauern sehr viel länger, kosten deutlich mehr Kraft und machen vor allem bei 2° C und steifen 5 – in Böen 7 Beaufort – wenig Spaß. Das Kochen von Tee oder einer heißen Suppe ist ein Balanceakt. Jede Utensilie – ob Löffel, Dosenöffner oder Gewürze – entwickeln bei diesen Schiffsbewegungen schon bei nur einer Sekunde Unaufmerksamkeit ein unkalkulierbares Eigenleben. Ohne permanentes Festhalten oder Einklemmen landet alles auf dem Boden, in der Spüle, dem Salonsofa oder wohin auch immer die Fliehkräfte gepaart mit Schwerkraft die Utensilien gerade katapultiert. Das gilt natürlich auch für uns selbst. Jeder Gang zum WC bedeutet, unter Deck zu gehen und sich gut zu verkeilen, dann die Schwimmwesten abzulegen und sich von diversen Schichten an Kleidung zu befreien. Und alles einhändig, denn die andere Hand braucht man ja zum Festhalten. Zwischendurch ein blauer Fleck, weil man eben doch nicht so ganz sicher verkeilt war. Dann ins WC hangeln, wo die Achterbahnfahrt durch die Wellen des Kattegats immer mal einen Vorgeschmack von Schwerelosigkeit vermittelt. Das anschließende Händewaschen erfolgt unter einem ständig die Richtung wechselnden Wasserstrahl und für den Rückweg die ganze Prozedur wieder retour.

Aber es kommt noch „besser“ …

Etwa 25 Seemeilen bevor wir Skagen erreicht haben, also etwa nach drei fünftel unserer heutigen Tagesetappe, müssen wir feststellen, dass durch die im Bug montierten Dorade-Lüfter Salzwasser im dicken Strahl eindringt. Jeder Brecher, der den Bug bis zum Deckshaus überspült, befördert auch etwa einen halben Liter Seewasser unter Deck. Diese speziellen Lüfter dienen (eigentlich) zur permanenten Ventilation des Innenraumes, auch wenn mal keine Luken geöffnet sind. Zum Beispiel weil niemand an Bord ist oder es stark regnet. Da wir seit Tagen in rauem Wetter unterwegs sind, haben wir natürlich die Lüftungshutzen abgeschraubt und deren Öffnungen verschlossen. Wie sich jetzt zeigt, arbeiten die fest in unseren werftkonstruierten Lüftern eingebauten Entwässerungsöffnungen jedoch bei starker Krängung (Schräglage des Schiffes) ganz und gar ungewollt als Bewässerungsöffnung … Ein Konstruktionsfehler. Das Resultat sind zwei pitschnasse Kojen, zwei nasse Kleiderschränke nebst Inhalt sowie nasse Teppiche und ein schwimmendes Bad. Letzteres ist bloß ärgerlich. Der Rest stellt uns vor echte Probleme. Denn der Schwall von der Decke ist Salzwasser. Wer einmal erlebt hat, wie anhaltend klamm salzwassergetränkte Kleidung ist, kann es verstehen. So laufen wir also nach 80 Seemeilen und einem langen Tag mit schnellem Segeln im einsetzenden Schneeregen in Skagen ein, legen uns ziemlich erschöpft längsseits an den Steg und verbringen den Rest des Abends mit ausgiebigem Spülen der Kleidung mit Süßwasser. Die Teppiche werden vertagt und tropfen in der Dusche erst mal ab. Doch wie den Rest nun trocknen? Draußen ist es kalt und sehr feucht. Also verwandelt sich der Schiffssalon in eine Waschküche. Entspannte gute Laune geht anders …

Aber morgen scheint bestimmt die Sonne.

 

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